Die Haftung des Piloten für Tod und Körperverletzung der Reisenden bei privaten Passagierflügen

Die begriffliche Bestimmung, was als privater Flug zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 100 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Luftfahrt (LFV, SR. 748.01), welche die Gewerbsmässigkeit von Flügen definiert. Zunächst wird dabei die Gewerbsmässigkeit bei Unternehmen, die über bereits eine Betriebsbewilligung verfügen, stets vermutet. Allgemein setzt sie aber voraus, dass für den Flug ein Entgelt entrichtet wird, das mehr als die Kosten für Luftfahrzeugmiete, Treibstoff sowie Flugplatz- und Flugsicherungsgebühren decken soll und dieser einem nicht bestimmten Kreis von Personen zugänglich ist.


Handelt es sich im Umkehrschluss dieser Definition um einen Privatflug, ist unter haftungsrechtlicher Perspektive danach zu unterscheiden, ob der Flug entgeltlich oder unentgeltlich ausgeführt wird. Dies, weil die Verordnung über den Lufttransport (VTrV, SR. 748.411) in Art. 7 ff. die Haftung des Luftfrachtführers bei entgeltlichem Transport spezialgesetzlich regelt. Demgegenüber sind auf einen unentgeltlichen Privatflug lediglich die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts (OR, SR. 220) anwendbar.


Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist das Abgrenzungskriterium des "Gewinns" bei der Unterscheidung zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit unzulänglich. So führt das oberste Gericht aus, dass die Haftungsbestimmungen der LTrV auch dann auf kommerziell tätige Unternehmen anwendbar wären, wenn diese Passagiere nicht kostendeckend transportierten. Folglich sei der Fokus auf die Austauschleistung zwischen dem Piloten und dem Passagier zu legen. Erfolgt die Leistung des Piloten im Hinblick auf die Gegenleistung des Passagiers und nicht, weil das gemeinsame Flugerlebnis im Vordergrund steht, ist von Entgeltlichkeit auszugehen (Urteil des BGer. 4C.194/2000 vom 27.09.2000, Erw. 3d, dies gilt, selbst wenn Leistung und Gegenleistung in einem Missverhältnis stehen). Die Unterscheidung ist im Einzelfall ebenso interpretationsbedürftig wie wichtig:


Zunächst ist bei einem entgeltlichen Privatflug ein Beförderungsschein auszustellen und sind die Passagiere gemäss Art. 100 Abs. 3 LFV vor dem Abflug auf den privaten Charakter des Fluges und auf die damit verbundenen Folgen hinsichtlich des Versicherungsschutzes hinzuweisen (die LFV statuiert ein Versicherungsobligatorium des Luftfahrzeughalters zur minimalen Sicherstellung für Haftungsansprüchen von Reisenden). Der Beförderungsschein und die Aufklärung beschränken jedoch nicht die Haftung des Piloten für Schäden aus Tod oder Körperverletzung der Reisenden. Denn Art. 7 Abs. 1 LTrV sieht bei solchen Flügen im Falle eines Unfalles an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen eine grundsätzlich unbegrenzte Kausalhaftung des Piloten für Tod und Körperverletzung der Reisenden vor. Einen Ausschluss oder eine Beschränkung dieser Haftung ist bis zu einem Betrag von 113'100 Sonderziehungsrechten je Reisender unzulässig (Art. 7 Abs. 2 LTrV). Lediglich bei Schäden, die 113'100 Sonderziehungsrechte je Reisenden übersteigen, ist eine Exkulpation möglich, sofern der Pilot nachweisen kann, dass der Schaden nicht auf eine Pflichtverletzung oder eine andere widerrechtliche Handlung oder Unterlassung von ihm, seinen Substituten oder Hilfspersonen zurückzuführen ist. Der Unschuldsnachweis gelingt bei solchen Schäden auch, wenn der Pilot zu beweisen vermag, dass der Schaden ausschliesslich auf eine Pflichtverletzung oder eine andere widerrechtliche Handlung oder Unterlassung eines Dritten zurückzuführen ist.


Handelt es sich um einen unentgeltlichen Privatflug, ist die Ausstellung eines Flugscheins nicht möglich. Die LTrV findet in dieser Konstellation keine Anwendung und für die Haftung des Piloten für Tod und Körperverletzung der Reisenden kommt das Obligationenrecht zur Anwendung. Entsprechend ist eine Erklärung der Passagiere zulässig, wonach diese auf allfällige Schadenersatz - und Genugtuungsansprüche im Zusammenhang mit dem Flug gegenüber dem Piloten verzichten. Dieser Verzicht ist bis zur leichten Fahrlässigkeit des Piloten zulässig. Ein Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit oder gar (Eventual-)vorsatz hielt jedoch nicht Stand. Ferner besteht keine Wirkung der Verzichtserklärung gegenüber den Hinterbliebenen bei Tod eines Reisenden. Die Haftung nach dem Obligationenrecht bedingt aber, dass ein Verschulden des Piloten kausal den Schaden verursacht hat. Dieser Nachweis hat der Geschädigte zu erbringen.


Entsprechend ist es ratsam, sich vor Anbieten eines Flugdienstes zu orientieren, welches Risiko damit eingegangen wird und wie sich dieses begrenzen lässt. Spätestens, wenn jedoch ein Schaden eintritt, ist die Unterstützung durch einen Anwalt dringend ratsam.


Dr. Reto Krummenacher, Advokat / Linienpilot

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